Geschichte des Hauses


Friesacher Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus
Foto: Friesacher Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus

Seelsorger. Ein Kollegiatsstift ist eine Gemeinschaft von Klerikern, die man Kanoniker oder Chorherren nennt. An ihrer Spitze steht der Propst. Ihre Aufgaben waren die Seelsorge in der Stadtpfarre und in den umliegenden Kirchen, die Armenfürsorge, die Betreuung einer Stadtschule und die Verwaltung der stiftseigenen Grundherrschaften mit den Untertanen. Erstmals erwähnt wurden die Kanoniker in Friesach im Jahre 1187. Ursprünglich wohnten sie im sog. „Hemmahaus“ am Fuße der Burg Petersberg, unmittelbar westlich der Stadtpfarrkirche. Die Chorherren bildeten eine mönchsähnliche Gemeinschaft, waren keiner speziellen Regel unterworfen und hatten, im Gegensatz zu Mönchen, Anspruch auf Einkünfte. In der Kirche St. Bartholomäus waren ihnen die Bänke im Chorschiff vorne beim Altar vorbehalten.

Kanonikatshaus bzw. Chorherrenhof nordöstlich der Stadtpfarrkirche
Foto: Kanonikatshaus bzw. Chorherrenhof nordöstlich der Stadtpfarrkirche

Neues Wohnhaus. Die Chroniken von Friesach erzählen von insgesamt 22 Stadtbränden, bei denen meist große Teile des Ortes in Schutt und Asche gelegt wurden. Auch die Häuser des Propstes und der Chorherren kamen zu Schaden. Bauteile, die einen Brand überstanden hatten, wurden meist in die Neubauten integriert. Unmittelbar neben dem Propsthof und nordöstlich der Stadtpfarrkirche gab es ein mittelalterliches Gebäude, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum neuen Wohnhaus für die Chorherren ausgebaut wurde. Das Geld für den Bau wurde von den Stiftsuntertanen eingehoben. Sie mussten beim Bau auch tatkräftig mitarbeiten.

Inschriftenstein - SIC VOS; NON VOBIS. I.B. TL 1602“. „So (seid) ihr, (aber) nicht für Euch“. Ein Spruch aus dem Alten Testament
Foto: „SIC VOS; NON VOBIS. I.B. TL 1602“. „So (seid) ihr, (aber) nicht für Euch“. Ein Spruch aus dem Alten Testament"

In Stein gemeißelt. Drei Inschriftensteine sind mit dem Jahr 1602 datiert und verweisen auf die Bautätigkeit um diese Zeit. Im nordöstlichen Teil des Hauses findet man eine Gedenkschrift auf einem Eckstein aus weißem Marmor in der Höhe des ersten Geschosses: „SIC VOS; NON VOBIS. I.B. TL 1602“. „So (seid) ihr, (aber) nicht für Euch“. Ein Spruch aus dem Alten Testament. Die Buchstaben I.B. TL könnten ein Hinweis auf einen Sponsor I (Johannes) B (Baptista) T (Thannhauser) L (Liber Baro) sein.

 Ausschnitt des Inschriftensteines über dem  Eingangstor - „VT BONIS PATENS ITA / MALIS EST OCCLUSA“
Foto: Ausschnitt des Inschriftensteines über dem Eingangstor

Über dem renaissancezeitlichen Rundbogenfenster im Architrav ist folgendes zu lesen:
MDCII PAX PIA SIT CVNCTIS ISTAS INTRANTIBUS AEDES. Der zweite Teil dieser Hausinschrift ist deutlicher wahrnehmbar in der Inschriftenplatte zwischen Portal und Fenster: „VT BONIS PATENS ITA / MALIS EST OCCLUSA“. 1602 Lieber Friede sei allen, die dieses Gebäude betreten. So wie es den Guten offenstehen soll, so soll es den Bösen verschlossen sein.

Wappen des Erzbischofs Max Gandolf von Kuenburg.
Foto: Wappen des Erzbischofs Max Gandolf von Kuenburg.

Fürsterzbischöflicher Gönner. Maximilian Gandolf, Graf von Kuenburg, gab 1674, unmittelbar nach einem Stadtbrand,  den Auftrag zu einer großen Renovierung des Chorherrenhauses und zum Zubau der beiden Hofarkaden. Sein Wappen mit der Inschrift ist noch heute auf einem Stein oberhalb des rundbogigen Einfahrtsportals an der Hauptfassade zu sehen. Über dem Portal ist auch ein steingerahmtes, gekuppeltes Rundbogenfenster aus dem 16. Jahrhundert erhalten. In der Flurhalle im Erdgeschoss entdeckt man am Gewölbe im Scheitel eine kleine Wappenkartusche.

Rundbogenfenster aus dem 16. Jahrhundert.
Foto: Rundbogenfenster aus dem 16. Jahrhundert.

Arbeiten und Wohnen. Wie die Räume des Hauses aufgeteilt waren und wer wo arbeitete bzw. wohnte, erfahren wir aus Aufzeichnungen von Propst Franz Breymesser aus dem Jahre 1831: Im Erdgeschoß befanden sich eine Küche mit angeschlossenem Köchinnenzimmer sowie Vorratsräume. Die Köchin stand im Dienst des Stadtvikars und des Seniors, die im ersten Stockwerk über ihre Wohn- und Schlafräume und jeweils ein Gastzimmer verfügten. Im zweiten Stock waren drei weitere Kanoniker in Wohn- und Schlafräumen untergebracht. Einer von ihnen hatte ebenfalls eine eigene Küche mit Köchinnenzimmer. Die beiden anderen mussten von den anderen Kanonikern mitverpflegt werden. Auch die Einteilung des Kellers, der Speisegewölbe und die Gartennutzung waren genau festgelegt.

Chorherrenhof  um 1985
Foto: Chorherrenhof um 1985

Der letzte Chorherr. Die grundherrschaftliche Reform des Jahres 1848 brachte für das Kollegiatstift St. Bartholomäus einschneidende Veränderungen. Der Wegfall der Grundherrschaft bedeutete einen enormen Einnahmenverlust. Neben dem Propstpfarrer gab es höchstens noch zwei weitere Kleriker. 1955 verstarb der letzte Chorherr, Stadtpfarrvikar Thomas Schuhbrandt. Mit dem Tod von Propst Mathias Possegger im Jahre 1998 wurde das Kollegiatsstift aufgehoben. Das Kanonikatshaus hatte seine ursprüngliche Bedeutung verloren.

Aktuelles Bild Kanonikatshaus
Foto: Aktuelles Bild Kanonikatshaus

Rettung durch Millionenerbschaft. Eine Klagenfurter Industriellenwitwe war nach einem Besuch in Friesach, bei dem sie von Bürgermeister Max Koschitz durch die Stadt geführt wurde, von der Burgenstadt so angetan, dass sie 15 Millionen Schilling für die Revitalisierung historischer Bausubstanz in Friesach bereitstellte. Die Dame wollte anonym bleiben und vererbte der Stadt die beachtliche Summe. 1992 wurde der Verein „Verschönerungsprojekt Friesach“ in Klagenfurt zur Verwaltung des Geldes gegründet. Eines der ersten Projekte, das mit dieser Erbschaft revitalisiert wurde, war die Chorherren-Liegenschaft am Salzburgerplatz. Die neu adaptierten Wohnungen im ersten und zweiten Stock wurden an Privatpersonen verkauft. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss hat Dr. Gragger für seine neue Ordination erworben. Das Geld vom Verkauf ging zurück in den Verein „Verschönerungsprojekt Friesach“ und konnte für weitere Bauvorhaben und Revitalisierungen in der Stadt verwendet werden.


Weitere Literatur

Renate Jernej, Das Kollegiatstift St. Bartholomäus in Friesach (2001)

Die Profanen Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Friesach / Bundesdenkmalamt (1991)

Franz Lorenz Hohenauer, Die Stadt Friesach. Ein Beitrag zur Profan- und Kirchen-Geschichte von Kärnten ( 1847)

Bauarchiv der Stadtgemeinde Friesach